Bewusstsein & Psyche: Das verdrängte Schattenreich

Das weltliche Dilemma der einseitigen Identifikation

Jeder kennt es: da kommt jemand und triggert uns an. Plötzlich ist unsere besonnene Ruhe dahin, etwas wallt da in uns auf, Gefühle und Gedanken geraten durcheinander. Wir zeigen eine intensive emotionale Reaktion. Oder es geschieht aus scheinbar heiterem Himmel, dass wir in einen Streit anderer Menschen involviert werden und deren Aggression abbekommen. Es kann auch sein, dass wir vehement eine feste Abneigung gegen eine bestimmte Sache kundtun oder uns damit besonders gut fühlen, eben nicht so ein „ignorantes Arschloch“ wie jener Herr Huber aus dem Nachbarhaus zu sein.

 

Die Welt, in der wir leben, ist voller Kämpfe, Dramen, Vorlieben, Abneigungen, Glücks- und Unglücksfällen. Jeder schustert sich seine eigene Welt zusammen, geprägt durch eigene Erfahrungen, eigene Rückschlüsse, Interpretationen, Bestrebungen und das tief in der menschlichen Brust verankerte Bedürfnis nach Sicherheit und Anerkennung.

 

Da geht es meist einfach gar nicht, ignorant, unwissend, zügellos, aggressiv, unverständlich, habgierig, über Leichen gehend oder sonst wie sozial unverträglich zu sein. Ganz im Gegenteil, wir lernen früh, uns mit den positiven Attributen von Fairness, Gerechtigkeit, allumfassendem Verständnis, Klugheit, Mitgefühl und vielen anderen Werten zu schmücken und - zu identifizieren.

 

In einer Schatten-Welt der Dualität findet Trennung statt

Und hier liegt auch schon der Hund begraben. Jede einseitige Identifikation erschafft einen Schatten. Was genau ist damit gemeint? Um den Schatten zu verstehen, lohnt sich ein Ausflug in die kosmische Vogelperspektive: Wir leben in einer subjektiven Welt der Dualität. Alles, was wir mit unseren Sinnen erleben und mit unserem denkenden Verstand erkennen, findet in seiner sprachlichen Beschreibung einen Gegenpol. Da gibt es Schönes und Hässliches, reich und arm, geschmeidig und starr, großzügig und habgierig, krank und gesund. Die Liste lässt sich ewig weiterverfolgen.

 

Es bedeutet, wir können eine Sache, eine Eigenschaft nur erfassen, weil wir in unserem polaren Sein das Gegenteil kennen. Wir benötigen das Gegenteil im Denken und Fühlen, um das Eine vom Anderen zu unterscheiden. In diesem Moment geschieht etwas, das wir als trennende Wahl titulieren können. Wir erkennen das Eine und erzeugen automatisch im Bewusstsein das Andere. Und da wir in der Regel nach dem Angenehmen streben und dem Lustprinzip folgen und Schmerz vermeiden wollen, wählen wir das Eine und eben nicht das Andere. Wenn eine bestimmte Wahl kontinuierlich getroffen wird und wir uns innerlich und äußerlich nach einem Zustand orientieren, entsteht eine Identifizierung. Es ist dann so, als hänge unsere Identität von dem entsprechenden Wert ab. Z.B. definiere ich mich dann als derjenige, der Tiere schützt und rettet. Gleichzeitig werde ich alles vehement ablehnen und bekämpfen, das Tieren schadet.

 

Da jedoch in der polaren Welt, die wir als dual erleben, alles in seinen zwei Seiten bzw. Gegenpolen existiert, erzeugen wir durch eine solche Haltung einen Schatten. Der Schatten ist die abgelehnte Seite der Polarität, mit der wir uns nicht identifizieren. Und jede einseitige Identifikation erzeugt einen Schatten.

 

 

Gott kann in der Dualität nicht erdacht werden

Hier stellt sich eine wichtige Frage: Ist die Polarität eine objektive Tatsache oder ein subjektives Erleben? In gewisser Weise trifft beides zu. Sprechen wir einmal von Menschen und von Gott. Wir Menschen in der materiellen Welt, mit der die meisten ebenso identifiziert sind, denken in Begriffen der Dualität. Gott, die Ebene der Schöpfungsenergie unterscheidet jedoch nicht. Gott ist nicht denkender Verstand, er ist reines Sein. So erzählen es uns die Mystiker und Weisheitslehrer der Religionen. Gott kann also mit unserem Verstand nicht gedacht werden, solange das Bewusstsein in der Dualität gefangen ist. Das duale Bewusstsein müsste Gott den Teufel als Gegenpol entgegenstellen, was einem fundamentalen Missverständnis des Gottesbegriffs gleichkäme. Gott ist eben jene Ebene jenseits unserer alltäglichen Bewusstseinsebene und Erfahrungswelt. Und obwohl Gott nicht gedacht werden kann, kann ihn der Mensch dennoch erfahren. In dieser unmittelbaren Erfahrung gibt es keine trennende Unterscheidung, kein Denken über etwas, kein Beurteilen. Da ist ein Nichts, im Sinne von keinen voneinander getrennten Objekten. Gott ist Einheit.

 

Insofern ist die duale Welt nicht die letzte Realität und schon gar keine Ebene reiner Objektivität, sondern ein von der menschlichen Natur bespieltes Feld der Gegensätze.

 

Was du ablehnst, kreierst du in der Schattenwelt

 Erst durch ein Erwachen der Selbst-Erkenntnis beginnt der Mensch, diesem Spiel zu entsagen und mehr und mehr in das hineinzuwachsen, was bereits Lao-Tse im Taoismos lehrte: „Das Eine, nicht zwei.“ In diesem Wachstumsprozess erkennt er auch die Schattenwelt, in sich selbst und in anderen.

 

Und hier endet unser kosmischer Ausflug. Wir kommen zurück zum Du und Ich. Der Schatten begegnet uns in der Außenwelt als Spiegel. Die Reaktion ist dann meist „Das hat mit mir gar nichts zu tun! Sowas auch, so ein blöder Zufall, dass mir das passiert ist! Wie kann man sich nur so verhalten? Also ich würde sowas niemals machen! Und und und…“

 

Alles, was wir aus einer emotional tiefgreifenden Reaktion heraus ablehnen, ist, was nicht in uns integriert ist. Hier kommt die Therapie ins Spiel. Sie hat das Ziel, den Schatten zu integrieren. Der nicht integrierte Schatten macht uns auf Dauer das Leben schwer. Er erzeugt immer Konflikte, Probleme und innere Spannungsverhältnisse. Der erste Schritt ist daher das sich Bewusst machen: „Der Teil ist da.“ Die Ablehnung wird sichtbar und mit ihr die Erkenntnis, dass das ein ungeliebter und verdrängter Teil in uns ist. Dieser verdrängte Teil trägt Energie in sich. Diese Energie ist blockiert und steht uns nicht für ein gesundes Leben zur Verfügung und friert sogar unseren gesunden Selbsterhaltungsreflex ein. Also kann ich mir die Energie des blockierten Teils zunutze machen, um selbst ins Gleichgewicht zu kommen und meine eigene Selbstverbindung aufrecht zu halten. Denn verdrängte Energie bedeutet immer ein Herausfallen aus dem Gleichgewicht.

 

 

Der Schatten bindet kostbare Lebensenergie auf Kosten der Vitalität

Der Schatten verbraucht kostbare Lebensenergie und führt ein unsichtbares Dasein auf Kosten der Lebensfreude und Gesundheit. Das innere Kind wird durch den Schatten beschwert und kann seine Sonnenseiten nicht so gut entfalten. In jedem von uns existiert eine positive Selbsterhaltungskraft. Diese gilt es zu aktivieren und der negativ besetzten Destruktivität entgegenzubringen. Die Energie der Empörung muss bewusst gemacht werden, um dann transformiert zu werden. Wenn der gesunde Selbsterhaltungsreflex wieder funktioniert, sind Selbstverteidigung und Selbstschutz möglich. Die Energie kann dann z.B. aufgebracht werden, um das Gegenteil zu erzeugen. Wenn ein Mensch beispielsweise seinen Schatten der Ablehnung des gewaltvollen alkoholkranken Vaters integriert hat, dann kann er die Energie für ein Projekt zur Suchtfreiheit einsetzen.

 

Dann ist da kein Täter und kein Opfer mehr oder wie Heilung geschieht

Der Mensch kann dann das Gute leben ohne einseitige Identifikation. Solange er den Schatten nicht integriert hat und versucht Gutes zu tun, wird er unweigerlich immer den Gegenpol mitkreieren, der sich früher oder später wieder manifestiert.

 

Gutes Tun will also gelernt sein und setzt voraus, dass wir einen neuen Bezugspunkt schaffen. Raus aus der Dualität hinein in das Bewusstsein des Einsseins, in dem alles Platz hat und nichts verdrängt, ausgeschlossen oder bekämpft werden muss. Der Bezugspunkt ist nicht mehr der Täter oder das Opfer. Der Bezugspunkt ist die allem übergeordnete und alles durchdringende göttliche Ebene. Ohne diese göttliche Instanz als Referenzpunkt kann keine Heilung geschehen bzw. die Welt nicht besser werden. Es ist entscheidend, dass das Neue, das wir in uns und in der Welt kreieren, aus einem „für die Sache“ entsteht, und nicht in einem „gegen das andere“.

 

Die Erkenntnis, dass wir nicht das eine ohne das andere kreieren können, solange wir im dualen Bewusstsein gefangen sind, mag ein Schlüssel sein und so manchen Aha-Moment bescheren. Solange wir etwas ablehnen, sind wir nicht besser als die, die das Ungewollte erzeugen. Und am Ende geht es auch nicht ums besser als XY sein, sondern um das Bewusstsein, wie Leid entsteht, wie die Dynamik der Psyche sich verhält und wie wir innerlich frei werden von der Last der ewigen Qual der Wahl.

 

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Anmerkung der Autorin:

Dieser Artikel ist im Nachgang eines Gesprächs mit Frau Dipl. Psych. Steger-Kaspar entstanden. Herzlichen Dank für das aufschlussreiche Gespräch.

Nicole Wetzler, Juni 23

 

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